Halbraum und Vollraum, Bafflestep und 6dB Pegelzuwachs
- Aus der Praxis zur Bassaufstellung

Dies ist eine Ergänzung zu folgendem Thema:
Groundplane- & Nahfeldmessungen mit Betrachtung von Bafflestep, Raumwinkel & Messabstand

 

Vorwort

Immer öfter kommt das Thema Raumwinkel auf, nicht nur in Bezug auf Messen, sondern auch Aufstellung, Abstimmung usw.

Wie wir wissen entsprechen unsere Ergebnisse einer GPM, oder auch Messungen am Stativ einer Vollraum-Messung.
Der übliche Nutzer geht davon aus, dass wenn der Bass am Boden steht, er einfach +6dB auf den Pegel aufrechnen kann,
was auch Gang & Gebe ist und auch halbwegs hinkommt.

Jedoch sind diese +6dB nicht nur frequenzabhängig, sondern auch abhängig von der Schallwandgröße.
Die Frage ist also: In welchem Bereich erhalten wir diese +6dB und wie weit rauf erhalten wir überhaupt einen Pegelzuwachs?

Was jeder wissen sollte ist, dass jede Box im Vollraum und zugleich im Halbraum spielt.
Abhängig von der Schallwandgröße spielt ab Frequenz X alles im Halbraum, darunter im Vollraum.
Diese Geschichte nennt sich dann Bafflestep, also der Übergang von Vollraum in den Halbraum (Vorsicht: Kantendiffraktion ist wieder was anderes).

 

Bafflestep

Um den Bafflestep mal zu verdeutlichen, folgende Simulation:

bafflestep roh
Bafflestep Simulation

Orange: Referenz - Unendliche Schallwand, also voll 2pi
Grün: 100x100cm Schallwand - Diagonale 141,4cm
Rot: 35x65cm Schallwand - Diagonale 73,8cm (12" Topteil, oder schmaler Bass)
Blau: 20x30cm Schallwand - Diagonale 36,0cm (5-8" Topteil)

 

Als Grundlage haben wir folgende Formel:
λ = c / f (Wellenlänge = Schallgeschwindigkeit / Frequenz)

Diese können wir auch wie folgt umstellen:
f = c / λ (Frequenz = Schallgeschwindigkeit / Wellenlänge)


Um jetzt auszurechnen ab wo der Bafflestep mit grob -1dB beginnt, dies ist der Punkt ab wann die Flanke anfängt, also kurz unter dem Rolloff,
nutzen wir letztere Formel und teilen sie durch 2.
f = (c / d) / 2 (Frequenz = (Schallgeschwindigkeit / Diagonale)/2)


Prüfen wir dies an obiger Simulation nach:
(344/1,414)/2 = 124,64 Hz
(344/0,738)/2 = 233Hz
(344/0,360)/2 = 477,8Hz

Der Bereich liegt jeweils bei -0,9 bis 1,1dB, trifft es also recht gut.
Nach meiner Erfahrung liegt der -3dB Punkt bei f/5.

Wir rechnen nach:
(344/1,414)/5 = 48,66 Hz
(344/0,738)/5 = 93,23Hz
(344/0,360)/5 = 191,1Hz

Jau, auch das trifft recht gut zu.
Daraus können wir ableiten, dass wir -5dB (Beginn des Rolloffs zu -6dB) erst bei circa 1/10 der Frequenz erreichen
und die vollen 6dB erst weit darunter.


Zusammengefasst:
Oberhalb der Frequenz "(Schallgeschwindigkeit / Schallwanddiagonale)/2" spielt unsere Box im Halbraum,
darunter haben wir den Übergang in den Vollraum.



Praxis:

Obige Simulation wenden wir z.B. auf Nahfeldmessungen an, wenn wir den Vollraumverlauf sehen möchten,
siehe oben verlinktes Ursprungsthema.

Mit einem kleinen Trick, können wir uns nun aber auch eine Vollraummessung (GPM) schnappen und
und den Bafflestep "draufrechnen".
Hier nutzen wir als Beispiel mal den JL-Sub15N (Lavoce bestückt) mit 51x51cm Schallwand.


Die Korrektur für den Bafflestep schaut wie folgt aus:

bafflestep sub15n
BS Korrektur vom JL-Sub15N


Nun wenden wir die Korrektur auf den Bass an:

Vollraum Halbraum 15N
JL-Sub15N Vollraum zu Halbraum Korrigiert

Grün: Übliche Vollraum-Messung
Blau: Anhand der Schallwand auf Halbraum hochskaliert.

Wir rechnen wieder:
51x51cm = 72,12cm Diagonale.
(344/0,712)/2 = 241Hz - Circa -1dB
(344/0,712)/5 = 97Hz - Circa -3dB
(344/0,712)/10 = 48Hz - Circa -5dB

Passt ziemlich gut.
Wir sehen jetzt, dass wir bei diesem Bass im relevanten Bereich annähernd
+4dB bei Halbraumaufstellung (z.B. am Boden) erhalten und keine +6dB.
Im Bereich der üblichen Trennung zum Topteil liegen wir zwischen 1-2dB.



Und im Stack?

stacking
Korrektur im Stack

Grün: Referenzmessung zum jeweiligen Vergleich, Vollraum
Rot: 1 Bass Halbraum
Orange: 4 Bässe Halbraum
Blau: 16 Bässe Halbraum
Jeweils Pegel angeglichen zum Vergleich.

In Blau haben wir 16 Bässe, also ein 4x4 Stack mit ganzen 204x204cm Schallwand,
grün entspricht dann der Ausgangslage ohne Boden, also im Vollraum.
Vergleichen wir Rot (Einzelbass am Boden) mit grün, entspricht grün dem Single-Bass ohne Boden.

Obige Messung zeigt uns also den frequenzbezogenen Zugewinn bei Bodenaufstellung in Abhängigkeit der Schallwandgröße,
wenn der grüne Verlauf dem jeweiligen Stack 4pi gemessen entsprechen würde.

Wie erwartet erkennen wir, dass je größer unsere Schallwand (ergibt sich ja durch's Stacking),
wir uns rein vom Verlauf immer weiter der Halbraum-Messung nähern.
Denn je größer die Schallwand, desto tiefer die Frequenz bei welcher wir Pegelzuwachs erhalten.
Die Schallwand ist also irgendwann so groß, dass das Stack im tiefen Frequenzbereich schon selbst im Halbraum spielt.

Wichtig:
Obige Messung entspricht keiner Absolutmessung (sonst würde alles ähnlich Rot entsprechen),
sondern dient der Verdeutlichung des Verhaltens.



Viertelraum?!

Richtig, wir erhalten durch die große Schallwand die quasi 6dB, welche uns durch den Bafflestep fehlen
und uns eigentlich die Bodenaufstellung wieder dazugibt.
Am Boden aufgestellt erhalten wir dann weitere +6dB dazu, was dann quasi Viertelraum entspricht.

Vergleichen wir nun grün und blau aus letzter Messung, die Differenz davon, also z.B. 1dB bei 50Hz, müssen
wir nun von den +6dB Bodenaufstellung abziehen, heißt wir bekommen +5dB im großen Stack bei dieser Frequenz dazu,
gesamt also circa +10dB im Vergleich zum Single-Bass.
Wir haben also keinen Bafflestep mehr im Relevanten Bereich (erst ganz weit unten) auf Grund der riesigen Schallwand.
Heißt der Bass (Stack) spielt im Halbraum und mit dazu kommt der Raumwinkel vom Boden, also die 2pi.

Bis zu welcher Frequenz wir nun aber den Viertelraum-Zugewinn bekommen, ist stark abhängig von der Größe des Stacks
und der Aufstellung. (Als auch der Frequenz, bzw. Directivity. Diese muss unter 180° aufweisen)
Wie wir wissen summiert sich unser Frequenzverlauf nicht mehr, wenn der Abstand von Chassis zu Chassis (oder Boden) zu groß wird.
bei 4x4 haben wir einen Abstand von oben nach unten von circa 178cm.
Also 344/1,78 = 193Hz - Ab hier erhalten wir Interferenzen statt eine Summation, beginnen tut das Spiel eher schon bei der Hälfte, also ab grob 100Hz.
Dies sieht dann wieder ähnlich aus wie bei unserer skalierten Single-Messung (rot)


Um das zu veranschaulichen:

stackboden
Simulation des 8er Stacks

Grün : Single Bass GPM (4pi)
Orange: 16er Stack GPM (4pi)
Grau: 16er Stack am Fußboden (2pi)



DSP-Setup

Richtig, ab einer gewissen Stackgröße benötigen wir neue DSP Setups, da es uns den Frequenzverlauf verbiegt.
Im Optimalfall schwanken wir im Bereich der XO (120-140Hz) aber eher nur bei 1-2dB Pegeldifferenz,
dies ist also kaum hörbar. Deswegen können wir auch unsere Sub-Sat-Setups komplett per GPM entwickeln,
mit nur einem Bass und dann ganz üblich je Verdopplung der Subs einfach das Gain jeweils -6dB anpassen.

Erst bei größeren Stacks (jedenfalls bei konventionellen Boxen) wird ein neues DSP-Setup fällig,
als Faustformel würde ich mal behaupten, ab einem 16er Stack von üblichen Singlebässe (15-18"),
ab 32 Bässen auf alle Fälle. Bei Hybriden und Hörnern evtl. sogar schon ab 8 (linearisieren sich zusätzlich obenrum bauartbedingt)




Zusammenfassung:


Eine GPM machen und einfach mal +6dB drauf rechnen ist nicht korrekt.*
Klar, das kommt halbwegs hin, bewegt sich im relevanten Bereich aber eher bei 4-5dB.

 

Probleme ergeben sich dann bei z.B. Flugbässen.
Beispiel: Ein Hersteller gibt seinen Bass mit 102dB 2pi an und hat hier einfach die +6dB draufgerechnet
Vollraum hat dieser aber eigentlich 96dB, die 102dB haben wir nur im ganz tiefen Frequenzbereich, im mittleren Schnitt eher 100dB
und im Bereich der XO landen wir aber wieder bei 96dB. Beachtet das der Systemtechniker nicht genau, plant er einen Flugbass zu wenig ein.

Ich bin der Meinung, dass eine Vollraum-Messung und -Pegelangabe viel praxisrelevanter ist,
denn jegliche Zugewinne sind abhängig vom Raumwinkel, der Aufstellung und Stackingröße.


Echte Halbraummessungen sind reflexionsfrei wirklich schwierig durchzuführen, jedenfalls praxisnah.
Wenn müssten wir die Box mit der Schallwand bündig im Boden versenken und dann von weit oben messen,
aber entspricht das dann am Ende der Praxis? Nö 😉

Also, je nach Größe der Schallwand oder auch Größe des Stacks,
erhalten wir im Regelfall nämlich keine +6dB hinzu, sondern eher 4-5dB,
zu hohen Frequenzen hin langsam abfallend.
Dies alles ist abhängig von der jeweiligen Größe, somit kann man hier auch nicht bei allen Kisten pauschal +6dB rechnen.

Aber für Pi*Daumen tut's das schon will ich meinen :top:


Weiterhin können wir ableiten, dass wir ab einer bestimmten Stackinggröße,
sagen wir als Faustregel mal ab 16 Subs am Haufen, oder 8 Größeren/Doppelten, (neben der üblichen Gainanpassung) einen LowShelf von 4-5dB setzen sollten (90-120Hz),
da der Bass uns sonst einfach zu fett spielt.
Ab dem Doppelten sollten wir dann definitiv ein frisches DSP-Setup entwickeln.

 

 


Ich hoffe ich konnte damit einigen Einsteigern (und vielleicht auch Fortgeschrittenen) eine kleine Hilfe bieten.
Feedback, Kritik und weitere Fragen sind gerne willkommen, am besten im zugehören Forenthema


 


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